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22. April 2008

Heimat

Dem Weg in mir folgend treibt es mich in die Fremde, weg von Zuhaus, allzu oft noch heimatlos und doch stets suchend – nach neuem Heim, neuer geborgenen Heimatlichkeit. Heimisch jedoch bin ich ja nicht nur im Nest, aus dem ich entschlüpfte. Vielmehr ist Heimat oft ein kurzes, mir liebes Wort, eine vertraute Stimme, ein Windstoss der Erinnerung, ein Ball, ein Tierchen, Baum, Apfel… allerlei - und vor allem: Mensch und Freund.

Heimat ist…

Ein Lied, dessen Text ich kenne und alleine irgendwo (hoffentlich ungehört) mitsingen kann / „Grüessech“ / Fussball und Fussball-Fachsimpeln (ein unterschätzter Weltethos) / Züpfe mit Honig / Bücherläden, die darin herrschende Atmosphäre / Zweisamkeit und die damit verbundenen Minuten des Vergessen-Könnens, der fühlbaren Unabhängigkeit von allen äusseren Zwängen / Einschlafen in Vorfreude auf die Zeit nach dem Erwachen / Spaziergänge durch das Emmental / Die Neumatt / Das Wissen um die Winzigkeit unserer Erde und Existenz / Wenn man sich in der Poesie, in Worten und Aussprachen wieder erkennt, die Ergriffenheit des erfühlten Verständnisses hierbei, die kurze und vergängliche Gewissheit, nicht alleine zu sein mit seinen inneren Kämpfen / Der typische Schweizer-Mittelland-Wald / Kleine Knabbereien, die an die Kindheit erinnern / Der Eisenbahntunnel vor Burgdorf, wissend, das nun mein Ort, mein Zuhaus, liebe Bekannte nahen / Abende voller Gespräche, die sich ergeben, einem natürlichen Lauf und Bedürfnis folgen, Freundschaft erschaffen, verfestigen / Ein Ort auf der Flüeh / Gemeinsames verstandenes Schweigen / Die morgendliche Zeitung / Den Regionalteil, den man mag, nicht weil man ihn liest, sondern weil man ihn nicht liest / Herrn Frosch / Gemeinsamer Humor und unbeschwertes Lachenkönnen / Bäume, Pflanzen, deren Wachstum man verfolgen durfte, die mit mir erwachsen, grösser wurden / Kinder, die spielen, was ich spielte / Altbekannte Strassen- und Verkehrsschilder, die Freude am Vertrauten / Schneespaziergänge / Zugfahrten im Wissen, welche die nächste Station sein wird / Wander-Picknick / das Krustenbrot der Migros / Und die Corn Flakes / Und das M-Budget-Citron / Jemanden von 300 Meter an seinem unverkennbaren Geh- und Bewegungsstil zu erkennen / Margriten / Der Blick in den Spiegel - meist, nicht immer / Der Mond…

8. April 2008

Am Rand der Wüste habe ich kürzlich einen roten Esel getroffen. Ich grüsste höflich und schritt weiter Richtung Algier. Der Esel jedoch verweigerte jegliche Grussgeste. Das betrübte und verstimmte mich ein wenig, sodass ich mich nach einigen Schritten umdrehte und dem roten Esel gehörig die Meinung sagen wollte. Dieser jedoch flog nun, im Adlersgewand, hoch über mir. Erstaunt ging ich weiter. In Algier angekommen, erzählte ich meine Geschichte mit dem roten Adlersesel meiner Frau. Kopfschüttelnd wandte sich diese darauf ab und ward nimmer wieder gesehen.

1. Februar 2008

Einige Fotos der Mali-Reise sind ab sofort hier zu finden.

In der Sahara mit Blick auf Timbuktu. Schifffahrt auf dem Niger.

14. Januar 2008

Bamako, Niger, Timbuktu

Warum Mali? Nun, des Nigers, Bamakos, Timbuktus wegen. Afrikas, des Afrikaners wegen, unserem nah-entfernten Bruder, der uns spiegelsgleich Vergangenes wie Künftiges aufzeigt, uns lehrt, was Welt ist und sein kann, was ausserhalb unseres dogmatischen Systems, das bis tief in unsere Seelen prägt und weist, real, schön, erschreckend sich zeigt. Eine Reise ins Innerste und zugleich ans Ende der Welt, schliesslich auch, um den Ort, wohin wir zurückkehren, für Stunden oder Tage mit den Augen eines Weltenbürgers betrachten zu dürfen, bevors - ach, es ist notwendig - zurückkehrt, dies gewohnte Mass des Alltags. Was bleibt jedoch ist das Wissen um ein Mehr, ein neues Kapitel im eigenen Buch. Es kann fortan immer wieder gelesen, gefühlt, gelitten und gefreut werden, lehrt weit über den eigentlichen Horizont hinaus und führt - dies das Schönste am Reisen - ins farbigste, aufregendste, mannigfaltigste Nichts , immer und immer wieder.

Bild: Luftaufnahme Timbuktus

8. Januar 2008

Soweit ich sehe, hier aus der Ferne, grosse Worte überall. Eloquent die Auftritte, geschickt-gewählte Worte und die teils mitreissend-brillianten Reden verführen, besingen und werben, ein grosses Taramtaram. Die Schwäche der Demokratie liegt wohl letztlich im Umstand, dass die Macht nur durch durchdringenden Populismus, durch die Kenntnis der Masse und der psychologischen Volksspiele zu erlangen ist.
Das Abbild des Volkes, oder einer Mehrheit desselben, regiert sodann. Doch ist dies Abbild allzu oft - und das ist das unausweichliche Dilemma dieses Volkswillens - ein Produkt nicht dessen Inhaber, sondern vielmehr ein Resultat der psychlogisch-populistischen Rafinesse einiger weniger, die sich der teilweisen Unmündigkeit des Volkes zu bedienen vermögen. Und nicht nur funktioniert diese Kausalität in lediglich eine Richtung, sie ist geradezu das grundlegende Gesetz des politischen Prozesses auch in die andere, vom Volk ausgehende Richtung. Die Projektion des Gesamtwillens ist Fundament der Machterhaltung und insofern immer richtungsweisend - teilweise oder gänzlich, je nach verkaufspsychologischer Fähigkeit des Machthabers gegenüber seiner Quelle der Macht und Legitimation.
Politik und Demokratie ist daher zwingend nur nach innen gerichtet, ist doch ihr Uhrheber, das Volk, ein beschränkter Teil des Ganzen, der sich - wer wills verübeln - vorzugsweise um sich sorgt. Entfernt vom theoretischen Konstrukt der unsichtbaren Hand und dem damit einhergehenden Wohlstandsegozentrismus ist der Ort, der uns Lebensgrundlage und Heimat ist, lange schon über die Einfachheit eines kausalen Modells hinausgewachsen.
Demokratie funktioniert zwar und ist - der menschlichen Tragik herleitend - der beste Weg. Der wahre Funktionswert im Sinne einer globalen politischen Kongruenz der Humanität und naturweltlichen Verantwortung ist solange jedoch zum Scheitern verurteilt, als dass der Mensch an sich sein Antlitz lichtet. Düstere Aussichten.

29. November 2007

Hin zum Gipfel

Undurchdringlich, grau breitet sich Nebel über dem Tal aus. Die Leute im Dorf sind Zuhaus, meiden Wetter und die damit verbundenen Unerfreulichkeiten. Ich jedoch, ich wandre, hinauf zur nächsten Weid, zur Alp sodann, den Gipfel vor Augen. Mit jedem Schritt entferne ich mich also mehr von dieser kleinen vertrauten Heimat, begebe mich Meter um Meter der Fremde hin, die heute, dunkel, traurig und nass, noch etwas unbekannter scheint als an sonnigen Tagen. Ich raste, gehe aber bald weiter, werde später vom Regen unter eine dichte Fichte getrieben.
Das Dorf ist nicht mehr in Sichtweite, der Nebel hat sich des Tals endgültig bemächtigt, lässt mich einsamer werden, als ich es bin. Nach einer Stunde verlasse ich meinen Unterstand, es hat nicht aufgehört zu regnen, ich jedoch will weiter, werde nass und hoffe, dass der Wind, der allmählich stärker zu werden scheint, die Wolken alsbald vertreiben mag. Bald schon ist die Waldgrenze erreicht, der kleine Weg führt weiter durch endlose Wiesen, die, gezeichnet vom langen Winter, trüb und kraftlos wirken. Auch ich werde allmählich müde, muss mir eingestehen, meine Kräfte überschätzt, ja, falsch kalkuliert zu haben. Der Gipfel jedoch, er scheint nah, in Griffnähe, versteckt irgendwo unmittelbar hinter der nächsten Nebelwand, hinter dem nächsten Baum. Baum? Nun, wieder sehe ich Bäume, mehr und mehr werdens, die Baumgrenze ist noch nicht erreicht. Wald wird’s sodann, mein Weg entschwindet irgendwo im hingabevollen Gedränge der Bäume, Äste, Blätter. Dem eigenen Weg folgend steige ich weiter hinan zur nächsten Ungewissheit, zum nächsten, übernächsten, vor- und vorvorletzten Baum. Zwar ists trockener, windiger, der Nebel jedoch hält sich hartnäckig, will nicht weichen und mir verraten, wo ich bin, wo ich hin muss, hin will. Weiter, höher. Wieder lichtet sich der Baumgarten, ich lasse ein letztes Stück Wald hinter mir, erreiche bald einen kleinen Weg, der mich durch eine steinige, abweisende Landschaft führt. Ich glaube mich bald schon am Ziel. Meine Kräfte schwinden. Es wird allmählich dunkel, die Sonne, die ich heute nur erahnen, nur ersinnen konnte, verschwindet, lässt die grauen Wolkenfetzen um mich grauer, schliesslich schwarz werden. Ich muss den Gipfel sehr bald schon erreichen. Auch wird es kälter, ich trage nasse Kleider, friere, gehe weiter, schneller, um schneller am Ziel zu sein. Endlos umgibt mich Gestein und Geröll, leblose, apathische Körper. Ich schreie. Irgendwo weit unten vermag ich nun einige Lichter zu entdecken – mein Dorf. Wie nah es scheint, wie farbig diese Lichter tanzen, wie schön, gütig und verlockend sie zu mir sprechen. Ich lege mich hin, schlafe, erfriere immer und immer wieder, am Leben erhält mich einzig der Gipfel, den ich näher als zuvor nun fühle, stärker zieht er mich hin zu ihm, hinauf, hinauf! Ich irre, wandre, spreche meinen Beinen den Mut zu, der mich längst verlassen hat. Bin sodann im nächsten Wald, eine nächste Wiese, danach Geröll, Nacht, Kälte, die kleinen Lichter unten im Tal, die mit jeder Nacht undeutlicher werden.
Irgendwann kommt die Sonne, der Gipfel, mein Wandern wird ein Ende nehmen. Irgendwann.

25. Juli 2006

Politikwissenschaften?!

Die Welt zu verstehen, bevor ich sie verändern kann, erachte ich als grundsätzlichstes Gebot auf dem Weg zu einer nachhaltigen Verbesserung ihrer.
Weshalb also Politologie? - Weil Politik Denken, Leben, Menschsein ist, weil die trockene Theorie zu uns führt, zum Lachenden, zum Weinenden, zum Flüchtling oder Heimischen, Weissen und Schwarzen.

"In unserer Welt im allgemeinen, ganz besonders aber in den unterentwickelten Gesellschaften, wird alles von der Politik diktiert. Diese durchdringt und beeinflusst alle elementaren Gebiete des Lebens, entscheidet das Schicksal jedes einzelnen. Die Politik ist ein mächtiger Faktor und durch die Medien allgegenwärtig. Neunzig Prozent aller Nachrichten beschäftigen sich mit den Akteuren des politischen Theaters, den Helden der politischen Klasse: Präsidenten, Minister, Abgeordnete, Generäle, Führer, Aktivisten, Populisten. Über die globale Situation kann man heute weder schreiben noch reflektieren, wenn man nicht die grosse Bedeutung der Politik begriffen hat."


Ryszard Kapuściński, polnischer Autor und Korrespondent mit langjähriger Afrika-, Südamerika- und Asienerfahrung. Aus „Die Welt im Notizbuch“.