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4. März 2008

III. 4 Haikus für Taube, 1 Haiku für Engländer.

Wasserfarbe floss daher
Singend sprang ein Pinsel
In den Krieg.

Ein Blättchen fror
Es war grün
Oh weh!

Liebe ist ein Moor
Geräuschlos rauch ich
Eine Zigarette.

Plötzlich sah ich, jammerweh
Ein Kind, da drüben
Ohne Kopf.

A leaf is falling down
Endlessly through my ideas
Of inversion.

17. Februar 2008

Lesespass VII

Es gibt Momente, wo sich alles Feste und Fixierte im Leben für einige Stunden oder Tage löst, in einem andern, durchdringenden Licht erscheint, das alles verändert, das die Farben und Werte, die ein Etwas für uns trägt, verwischt, mischt und schliesslich einander gleich und gleicher macht, bis kaum mehr ein Unterschied zu erkennen, bis jenes, was so deutlich verschieden plötzlich gleich und verwechselbar ist. Die Reise ins Herzen Afrikas hat mir neuerlich dies Tor geöffnet, diese Perspektive für einige Tage zumindest ermöglicht. Eine Perspektive, die einerseits lehrreich und wahrhaftig, andererseits erschütternd und zutiefst ergreifend, prägend ist. Mali war einmal mehr ein Verweilen in und ein Betrachten von einer fremden, teils unverständlichen, teils unzugänglichen Welt, die lehrt und spricht, die einem vereinnahmt, deren spezielle Farbe und Melodie in der Beobachtung und Teilnahme so intensiv und tief greifend auf Seele und Herz wirkt. Doch nicht die alltäglichen Finessen einer Kultur, die mir zwar in Erinnerung bleiben, die durchaus charakteristisch, interessant, auszeichnend für dieses Volk, dieses Land sein mögen, hinterlassen eine gewisse chaotische Unregelmässigkeit in meinem ansonsten gefestigten Weltbild. Vielmehr sind es die Grundzüge der afrikanischen Kultur und Mentalität an sich, die, je länger ich diesen anderen lebensphilosophischen Kosmos gedanklich durchwandere, meine inneren Fundamente und Strukturen verändern, einem Sturme gleich mein inneres Gerüst ins Wanken bringen, die Grundzüge meiner Weltsicht wenn auch nicht gänzlich umstürzen, so doch erweichen und erweitern.
Mein Geist also, der, geprägt durch die vergangenen Jahre meiner Erziehung, Schulbildung, Wissensaneignung mich trägt und leitet, mir weisende Instanz und schliesslich Baustein meiner Existenz und Teilnahme an einer westlichen Wertgemeinschaft, dessen Maximen sich bis tief in mein Bewusstsein ausgebreitet haben, ist, dieser Geist wird in dieser unmittelbaren Konfrontation mit dem anderen und gleichsam mit einer, zugegebenermassen anfangs nicht sonderlich reizvollen, Alternative nun hin und her geworfen, verirrt sich in seiner eigenen Mannigfaltigkeit und scheint sich manchmal gar kurz aufzulösen, zu entgleiten in einem grossen Universum der vereinbaren Gegensätze, der grossen Zusammenkunft von allem Guten und Schlechtem, Dunkeln und Hellem. Es ist sodann, als sei der Dirigent des stramm-folgsamen Orchesters aus dem Takt geraten, fummle wild in der Luft, verliere die Übersicht, die Kontrolle; das Orchester jedoch spielt weiter, verselbständigt sich, jeder spielt seine Melodie, gibt sein ganz eigener, persönlicher Klang wieder, einzigartig und im Einzelnen oft unverständlich. Die Summe ergibt sich nun in einer Disharmonie von groteskem Ausmass, das für den Hörer schlicht nicht erträglich, nicht auszuhalten ist. Die Gabe, dies grosse Ganze als Summe kleiner, schönster, weil so einzigartiger und authentischer Einzelmelodien zu lauschen, ist ihm nicht gegeben. Er flüchtet also ins Bekannte, ins Einfach-Gerade und ist zufrieden. Wer jedoch dies grosse Orchester der vielen Musikanten, die der Kontrolle des Dirigenten entwichen sind, gehört hat, sich einige Momente nur dem grossen Durcheinander hingibt und mal diesem, mal jenem Musiker mehr Beachtung schenkt, ihn in seiner eigenen Wahrnehmung hervortreten, ein Solospiel darbieten lässt, dieser Hörer wird zutiefst erschüttert. Die ganze Breite dieses Klangkosmos auch nur zu Erahnen ist allzu viel für eine einzelne Seele. Also muss ich zurücktreten, fliehen wohl, oder aber: Dirigent werden. Ich, als einzelner oder als Teil eines Kollektivs, leite sodann diese Gruppe der Gegensätzlichen (und doch: alles sind sie Musiker!) und vereinige dies Chaos zum einheitlichen Klang, gebe dem Ganzen eine Richtung, ein vages Ziel. Die entstehende Harmonie ist kräftig und laut, sie animiert zu Applaus, zu gutgelauntem Publikum. Auch die Musikanten werden, gekränkt anfangs durch die einschränkende Autorität, zufrieden, bescheiden geben sie sich der grossen Harmonie hin, freuen sich, Teil dieser kräftigen Bewegung, Teil eines Gemeinsam-Erschaffenen zu sein.
Lange jedoch lässt sich dies Spiel nicht ertragen, die Harmonie ist allzu einfach, allzu repetitiv. Es ist Musik aus der Retorte, einfachste Hedonistenklänge, die einem die Seele salben, ohne sie zu berühren. Der Aufstand jedoch bleibt aus, allzu bescheiden sind doch die Hörer im Saale, allzu selbstgefällig die müden Musiker, deren eigene Melodien sie irgendwann selbst vergessen werden.
Wo also führt er hin, dieser Weg der Harmonie, der Angleichung? Zum Menschen? Zum Glück? Oder ist es ein Sprung ins Dunkle, in eine Welt, die ohne Farben auskommen muss, um weiterexistieren zu können? Farben, sind Farben denn erträglich, sind sie nicht allzu schwere Last auf unsren zerbrechlichen Gemütern, sind sie nicht zu erdrückend, zu wahrhaftig, zu vieldimensional?
Wer wills also wissen, wer wills verstehen. Schon spielt der Schweizer Blues wieder in meinem Köpfchen, schon bin ich wieder hier, einfache Musik, bezirzende Klänge. Vergessen aber kann ich’s nicht mehr, dies Konzert der vielen Einzelnen - auch, wenn’s schier unerträglich ist.

21. August 2007

Lesespass V

Welch schwierig Ding, diese Welt zu verstehen! Mit wachen Ohren setz ich mich hin, lausche hin zu den Gipfeln und weiter in die Täler, versuche, alles zu sammeln, Töne, Melodien und Klänge, versuche, eine Symphonie, ein Ganzes zu erspähen, unserer Zeit ein, zwei Schritte näher zu kommen. Es fällt schwer.
Ab und an blüht da eine Ahnung auf, breitet sich in Seele und Herzen aus, entwickelt sich fort zu realen Konstruktionen, zu einer Hoffnung, einer Aufforderung vielleicht. Einige Takte später jedoch folgt dies Unbehagen, neuerliche Verunsicherung und eine zweifelnde und allmählich verzweifelnde Einsichtslosigkeit des Unwissens, der ewiglichen Unverständlichkeit. So wandre ich weiter, begehe tagtäglich neue Sünden, die Tage später zu Glück und Religion werden, nach Wochen wieder zu Paradigmen der menschlichen Abgründigkeit verkommen. Es ist schwer, so zu leben, gefangen in der eigenen Horizontlosigkeit, einer befreiten Welt ohne Zäune, ohne Kompass auf Reise im immerwährend Ozean.
Zu mancher Stunde blick ich sodann zum Himmel und glaube, mich zu verlieren. Eine schmerzliche Vision des unsäglichen Sterbens an der Nichtigkeit des Menschseins.

25. November 2006

Lesespass IV

Nach all dem Leben, das ich heute gesichtet, nach all den schreienden Seelen und Gebeinen auf der Strasse und allen eisigen Wolken am Himmel bin ich schliesslich hier angelangt, gestrandet, halb nur bei Kräften, bei vollem Verstande. Sie wünschen guten Appetit beim Leben, wünschen gutes Gelingen, am besten ohne Folter, denn Folter schmerzt, Folter hinterlässt Spuren. Sie, die Folterknechte, das ungläubige Freiwild, überall und nirgends. Sie, die Menschen ohne Narben, ohne Gesicht. Sie verstehen? Natürlich…
Ich werde mich nun dem Lichte ergeben, hingleiten zur Tiefe, lachend und erwachend, ganz und gar roh, einer Blume im Frühling gleich. Oder einer Tulpe. Ach, wohin, wohin? So bin ich doch kaum erst geboren, atme kaum, und drohe doch zu ersticken, ständig, täglich im sinnesfremden Nichts zu verschwinden. Ereifert schreibe ich weiter. Lass nach, Seele, Kauz, Land- und Waldstreicher. Vor mir brennt mein Verstand, es dampft, schmilzt, und ich trinke, setze mich trunken hinter mich und betrachte meinen Rücken. Wie schön er ist – im Dunkeln. Will er jemals Flügel schenken? Zurück nun, gedeih und erstaun, glaub und verschwind. Ich bin bei dir.
Wer da spricht, wer da singt und flucht, weint, betet, erbricht… Vielleicht ein alter Freund aus dem Hause hinter den Dingen. So real und beständig wie der Wind, und ebenso stark. Nur unsichtbar…

26. Oktober 2006

Lesespass III

Eben, da, oben sah ich einen Vogel. Er flog in diese Richtung, hinters Haus, weiter, dem Walde entgegen, schliesslich zu und über die Berge. Bald erreichte er das Meer, flog, flog, entdeckte Inseln, Schiffe, vereinzelt, grössere und kleinere, weisse und blaue Wellen. Und wieder kam Land, kam Wüste, kam Sturm, Regen, Schnee, Sonne. Tier und Mensch, Baum und See zogen vorbei, hinterliessen Düfte, Hoffnungen, kleine und grosse Zaubermusik. Es wurde Tag, wurde Nacht, immer weiter trugen ihn seine grossen, erwachten Flügel. Wohin? Zu mir und aus mir. Schmerz wie Freude zog er an, trank und verschlang er, flog davon, kehrte um, sah, schwieg, weinte, lernte. Lange am Ende seiner Kräfte zehrend erlebte er Tiefstes und Höchstes, verliess sich, fand sich aufs Neue, immer wieder, bald mehr, bald weniger. Als sei’s der einzige Flug, als sei nichts ausser dieser Wolke- jetzt und jetzt – und dieser zaudernder Winde, nahm er die Zeit in sich auf, bis zur Verschmelzung mit ihr, bis war, was ist, wird, was gewesen. Ja, natürlich, er träumte. Träumte in völliger Missachtung aller und jeder Wirklichkeit, schaute weg, vielleicht, hatte Angst. Doch er lebte und überlebte, als Mensch, als sich und mit sich, niemand war seiner Flügel mächtig. Der Himmel war ihm Kunststube, war ihm Festplatz, Hochseiltanz, gefährlich und doch – wie wichtig!
Flieg weiter, oh Vogel, flieg bis zur Sonne, erschaue und erkenne: sie ist die Grenze. Weil nicht nur das Herz sehen kann.

4. Oktober 2006

Lesespass II

Am Ende stösst man auf den Anfang, und immer wieder, im Kreise, spielt sich dies ewige Dahinpendeln des Lebens ab, bis zur Extase, darüber hinaus, an die Grenzen, darüber hinaus. Es gibt keine Grenzen. Ich bin gewandert, nicht weit, ach, und doch – wie weit der Weg war. Der Weg hat sich gekrümmt, oft ins immergleiche Unendliche, bis Kurve, Bogen, Ecke wieder zur Gerade wurden, immer dann vielleicht, wenn es zuvor kalt war, wenn Herz, Seele weinten, wenn das Licht weit schien, das Leben bedeutungslos. Am Ende, am neuen Anfang, steht nun dieser Berg, er wird mit jedem Schritt kleiner, vielleicht bedingungsloser, vielleicht härter; es ist mein Berg, mein Werk, meine Bestimmung, mein ganzes Sein, mein auszufüllendes Ich, Welt, Friede, Krieg, Teufel, Gott. Tausendmal zerbrochen bin ich wieder aufgestanden, auferstanden – es gibt so viele, zu viele Berge. Wie wanderlustig und doch schwach ich bin, wie klein, wie wenig ich einatmen, wie wenig ich auftrinken kann.
Oh, und wie gut mir doch dieser meine Berg, mein Freund ist. Ziel ist dies: Ein Höhenfeuer zu errichten, ein lebendiger, fackelnder, ja glühender Stern, der zu den Gipfeln, die ich nicht erwandern kann, zum einsamen Einzelnen vordringt, ihn erwärmen, ihn ermenschen, ihm Licht sein kann.
Noch ist das Feuer nicht entfacht, die Suche nach Holz ist schwer, ist Leben. Doch ich gehe, geschwind, sammle, tanze, weine, will Feuermachen lernen, einen Stern gebären. Und ich bin noch nicht müde…

17. Juni 2006

Lesespass I


Der lange Weg des einsamen Wanderers hört ja nicht eigentlich je oder niemals auf, sondern vollführt sich im ewigen Zwiegespräch mit Universum und Götterwelt fort, bis in alle Ewigkeit. Dieser kleine aber tanzende Gedanke und Traum ist Nahrung aller Betenden, ist Hoffnung aller fliegenden Fische, ihrer Seele, ihrer an sich selbst erstickenden rationalen Himmelspracht. So also bricht das Feuer aus oder erlischt alsbald, es wäre der Tod, den ich nicht will, oder: nicht wollen will. Der Fisch entkommt dem Fischer, immer, immer wieder – hoffentlich…